Die detaillierten Ergebnisse sind den Publikationen zu entnehmen. Ein Überblick über die wichtigsten Ergebnisse zeigt Folgendes:
- Für die weit überwiegende Anzahl der direkt erhobenen oder gebildeten Variablen – sowohl im Prädiktor- wie im Kriterienbereich – ergeben sich zwei, in der Regel unabhängige, Haupteffekte: (a) Neuntklässler erbringen durchgehend bessere oder höhere Leistungen als Fünftklässler. (b) Gymnasium, Realschule und Hauptschule zeigen eine auch in Paarvergleichen signifikante Abstufung der schülerseitigen Fähigkeiten. (Dabei liegt allenfalls die Realschule mal näher an der Hauptschule und mal näher am Gymnasium.) Man kann diese sehr konsistente Befundlage auf zweierlei Art interpretieren: Entweder sind die Mechanismen der Schulartzuweisung so erfolgreich, dass sie das vorhandene Leistungsspektrum auf drei gut diskriminierbare Gruppen verteilen. Oder die Eigendynamiken der Schularten bewirken (das wäre die zynischere Interpretation), dass sich die Schüler/innen in die sozusagen vorgesehenen Fähigkeitsausschnitte einordnen. In jedem Fall kann man aber das Leistungsspektrum innerhalb der beiden Klassenstufen als jeweils eine Gesamtverteilung interpretieren; in Strukturgleichungsmodellen beispielsweise erhöht die Berücksichtigung der Variable „Schulart“ nicht die Modellpassung: Die Schulartzugehörigkeit erklärt nichts, was nicht auch schon durch die Leistungsunterschiede an sich beschrieben wäre. Auch die bildungspolitischen Entwicklungen (Integration der Hauptschule in eine Oberschule) werden zu heterogeneren Lernergruppen führen; mit Blick auf das Ziel, eine möglichst generell wirksame unterrichtliche Förderung vorzubereiten, behandeln wir die Schüler/innen der drei Schularten (je Klassenstufe) als Repräsentanten einer hinsichtlich ihrer Fähigkeiten breit streuenden Lernerpopulation.
- Wechselwirkungen zwischen den Effekten der Klassenstufe und der Schulart treten nur bei sehr wenigen Einzelvariablen auf; dann immer in der Art, dass sich die Leistungsunterschiede zwischen der 5. und 9. Klasse im Gymnasium gegenüber der Hauptschule aufspreizen. Überwiegend bleiben die relativen Leistungsunterschiede zwischen den Schularten über die Eckpunkte der Sekundarstufe I hinweg jedoch konstant. Insgesamt lässt sich sagen, dass die gemessenen Fähigkeitsbereiche, auch was die neu entwickelten Aufgaben betrifft, für die Leistungsvariation im untersuchten Alters- und Leistungsspektrum durchgehend sensibel sind.
- Die erhobenen und gebildeten Maße der Textqualität können durch die berücksichtigten allgemeinen und spezifischen Fähigkeitsbereiche in beiden Klassenstufen sehr gut vorhergesagt werden (multiples R-Quadrat bis zu .57). Dabei werden für die Neuntklässler durchgängig höhere Varianzaufklärungen der Kriteriumsvariablen erzielt als für die Fünftklässler. Dieser Befund ist kein statistisches Artefakt, insofern zwar nicht alle Varianzen zwischen den beiden Klassenstufen homogen sind, aber kein systematischer Unterschied hin zu jeweils größeren Varianzen in der 9. Klasse besteht. Was es didaktisch bedeutet, dass die Textqualitätsunterschiede in der 9. Klasse stärker mit Unterschieden anderer Fähigkeitsvoraussetzungen einhergehen als in der 5. Klasse, bedarf jedoch noch der Interpretation: Eine erfolgreiche Didaktik könnte ja auch gerade dazu führen wollen, dass die erzielten Leistungen zunehmend weniger von individuellen – und zum Teil schwer veränderbarer – Fähigkeitsvoraussetzungen abhängen. Umgekehrt könnte sich aber didaktischer Erfolg gerade darin widerspiegeln, dass es den Schüler/innen strategisch besser gelingt, ihre (unterschiedlichen) Fähigkeitsvoraussetzungen bei der Bearbeitung komplexer Schreibaufgaben einzusetzen. Begründete Erkenntnisse über die transferierende Wirkung von Fähigkeiten auf die Textproduktion werden sich erst durch die anschließende Interventionsstudie ergeben.
- Die Variablen der Perspektivenübernahme und der Kohärenzherstellung sind miteinander mittelhoch korreliert; die jeweils auf einen Faktor abgebildeten Aggregate korrelieren zu .30 (5. Klasse) und .33 (9. Klasse). Wenn man die gemeinsamen Einflüsse der allgemeinen kognitiven und sprachlichen Voraussetzungen auspartialisiert, resultieren für beide Klassenstufen Nullkorrelationen. Es handelt sich also um zwei partiell voneinander unabhängige Fähigkeitsbereiche, deren didaktische Fokussierung zwei parallele (und potentiell wechselseitig ergänzende) Wege zur Erhöhung der Schreibkompetenz verspricht.
- Die Erwartung, mit der geplanten Intervention in sprachfernere Fähigkeitsbereiche (Perspektivenübernahme sowie Herstellung und Beurteilung geordneter Zusammenhänge) auch für Schüler/innen mit sprachlichem Migrationshintergrund besondere Chancen zu eröffnen, erweist sich nach den bisherigen Befunden als gerechtfertigt: Schüler/innen mit sprachlichem Migrationshintergrund schneiden zwar bei den im engeren Sinn sprachbezogenen Voraussetzungen (Wortschatztest, Listening Span, Leseflüssigkeitstest) und auch bei einigen Variablen der kriterialen Textqualität schlechter ab als Schüler/innen, in deren Familie nur Deutsch gesprochen wird; bei den Aufgaben zur Perspektivenübernahme und vor allem zur Kohärenzherstellung treten jedoch über die schon beschriebenen Haupteffekte von Schulart und Klassenstufe hinaus keine signifikanten Effekte des sprachlichen Migrationshintergrunds auf. Die Förderung dieser Voraussetzungsfähigkeiten dürfte demnach durch eventuell bestehende Defizite im (Schrift-) Deutschen nicht beeinträchtigt sein.
- Geschlechtsunterschiede treten bei einzelnen Variablen als Haupt- oder Wechselwirkungseffekte auf, scheinen aber insgesamt keine systematische Rolle zu spielen, die eine besondere Berücksichtigung nahe legen würde.